Warten auf Gäste

Alle sind nervös, die Unruhe ist mit Händen greifbar. Devraj und Parashuram reden leise miteinander, vermutlich geht es um die letzten fehlenden Geräte für die Küche; Melli erklärt Sushil und Sujan Details an der Rezeption – Sujan hört aufmerksam zu, Sushil macht Witze, um seine Aufregung zu überspielen; Baburam zupft welke Blätter im Garten, Srijana hängt Putzlumpen über das Geländer und Renuka rührt gedankenverloren in der Gemüsepfanne. Nur hin und wieder tauschen zwei einen Blick um sich zu vergewissern, dass es dem Anderen genauso geht: Die meiste Arbeit ist getan, nur noch Kleinigkeiten warten darauf, gerichtet zu werden. Da schliesst ein Fenster nicht richtig, da muss noch ein Haken befestigt werden. Zwei Tassen sind angeschlagen, die Reklamation läuft. Nichts was Gäste stören würde. Aber Gäste lassen auf sich warten.

Unser Team: Baburam, Renuka, Srijana, Parashuram, Devaraj, Sujan, Sushil

Monatelang hat uns das Hotel in Atem gehalten, haben vor allem Devaraj und Melli viel Herzblut in das Projekt «Hotel Chhimeki» gesteckt. Und viel Geld natürlich. Devaraj muss seine Familie ernähren, will seinen Kindern eine gute Ausbildung sichern. Melli und ich dagegen haben für Chhimeki investiert, jenes Frauen-Netzwerk, das sich um Schwangere, Alleinerziehende und junge Mütter in den Armenvierteln von Kathmandu kümmert. Unsere Überlegung dabei: Wenn wir unser Geld – eine überschaubare Summe, die nicht unsere Existenz gefährdet –  direkt an Chhimeki geben, ist es in zwei, drei Jahren ausgegeben. Chhimeki betreibt sechs Krabbelstuben, die Betreuerinnen müssen bezahlt werden, die Miete kostet Geld – Summen, für die sich dauerhaft kein reicher Gönner findet.

Also haben wir mitgeholfen, ein altes Bürogebäude in Kathmandu in ein Hotel umzubauen. Von unserem Anteil am Gewinn spenden wir Dreiviertel an Chhimeki. Wie viel das ist, wissen wir natürlich nicht. Unsere beiden lokalen Partner sind optimistisch: Sie denken, in drei bis vier Jahren habe sich ihre Investition bezahlt gemacht. Und dann werde richtig Geld verdient! Stimmt das, haben wir unsere Investition in zwölf Jahren – so lange läuft der Pachtvertrag mit dem Hausbesitzer – locker wieder heraus und Chhimeki bekommt jährlich einen schönen Batzen Geld.
Aber eben, dafür braucht es Gäste, die unsere Betten füllen. In denen man übrigens hervorragend schläft. Wie überhaupt alles gut gelungen, manches sogar besser geworden ist, als vorher angenommen. Die Werbung läuft erst an, woher sollten potenzielle Nepalreisende auch von unserem «Hotel Chhimeki» erfahren haben? Objektiv hat das Ausbleiben der Gäste gar nichts zu sagen. Aber nervös sind trotzdem alle!

Am nächsten Tag löst sich die Anspannung: Für Anfang März sind fünf Zimmer gebucht. Und dann geht es Schlag auf Schlag: ein Österreicher und ein Slowene kommen über booking.com, buchen für eine Nacht. Der eine bleibt sechs Tage, der andere gleich zwei Wochen. So darf es weiter gehen!

Text und Fotos: © Copyright Heiner Hiltermann