Holi in Hampi

Um sieben ist die Welt noch in Ordnung – jedenfalls beinahe: Unser Frühstücksrestaurant ist geschlossen, die Mitarbeiter unterziehen den Raum einem Großputz. Melli fragt trotzdem und weil sie so schön dazu lächelt, bekommen wir schließlich zwei große Tassen Milchkaffee. Aber wir müssen ihn draussen trinken, auf einer Bank neben dem Restaurant. Der Besitzer einer Lodge ein Haus weiter warnt uns schon mal vor: Ab zehn Uhr hängt hier die Luft voller Farben, wird in den Straßen ausgelassen getanzt. Heute ist Holi, das hinduistische Frühlingsfest, das zunehmend auch im Westen gefeiert wird. Der erste Vollmondtag Anfang März bestimmt das genaue Datum. Voraus geht am Vorabend ein großes Feuer, in dem eine Strohpuppe verbrannt wird. Sie soll die Dämonin Holika symbolisieren, die vergeblich versucht hatte Vishnu zu hintergehen.
Wir schlendern durch die ungewohnt leeren Gassen, die meisten Lokale haben geschlossen, nur die German Bakery verkauft frischen Nusszopf. Kinder bewerfen einander schon vor der Zeit mit Farben, die an Ständen in sorgfältig arrangierten Pyramiden auf Käufer warten.

Schon vor zehn Uhr schallt Goa-Musik aus großen Boxen durch Hampi-Basar, auch einige Erwachsene können es kaum erwarten. Die ersten bunten Gestalten tauchen auf, Touristen aus dem Westen vor allem. Eine kleine Minderheit unter den Feiernden, sie fühlen sich offenbar in Indien angenommen, wenn sie möglichst üppig mit Farbe beworfen werden. Man kann aber auch Nein sagen, entschieden genug ausgesprochen wird es akzeptiert. Nur unsere Freunde aus Pune, die extra wegen Holi nach Hampi gekommen sind und mit denen wir am Vortag auf einer gemeinsamen Radtour die Tempel und Palastruinen Hampis erkundet haben, streichen uns fast zärtlich orange und violette Streifen ins Gesicht. Und ganz verschont vom herumfliegenden Pulver bleiben auch wir nicht.
Unsere Freunde tanzen ausgelassen mitten im großen Pulk, der langsam an uns vorbei zieht. Eine Trommlergruppe hat nun den Rhythmus übernommen, die Goa-Musik hat ausgedient. Die jungen Männer hauen auf die Pauke, dass das Zwerchfell bebt und wir das Dröhnen nur mit den Fingern in den Gehörgängen ertragen. Kein Wunder, dass einige der Tanzenden sich wie in Trance bewegen. Drogen dürften kaum im Spiel sein: Die Polizei steht am Rand und wacht mit Argusaugen.
Um ein Uhr ist alles vorbei. Eine kleine Gruppe hat wieder die Goa-Boxen angeschaltet, offensichtlich haben sie noch nicht genug getanzt. An der Farbe kann es nicht liegen, denn sie sind von einem ziemlich einheitlichen Ton bedeckt, dominiert von dunklem lila. Der größte Teil der Holi-Feiernden ist den Trommlern zum Fluss hinab gefolgt und wäscht sich – meist voll bekleidet – die Farbe aus den Haaren. Am Nachmittag grüßt man sich in den Gassen mit «Happy Holi», die Lokale öffnen wieder ihre Tore. Die bunten Farben auf dem Boden wird erst der nächste Regen vollständig wegwaschen, und der ist erst in Monaten zu erwarten.

Text: © Copyright Heiner Hiltermann; Fotos: © Copyright Melli Fleig