Heiner Hiltermann, Journalist und Autor

Was für eine Busfahrt! Drei, vier Tage hat es in Nepal ununterbrochen geregnet, ferne Auswirkung des Zyklons, der im Golf von Bengalen Menschenleben gekostet und zahlreiche Existenzen vernichtet hat. Die Strassenverhältnisse sind entsprechend. Schon am kleinen Busbahnhof in Kathmandu müssen wir aufpassen, nicht im knöcheltiefen Schlamm zu versinken.
Wir bekommen eine Sitzbank gleich hinter dem Fahrer mit genügend Beinfreiheit. Melli schirmt mich zum Gang hin ab, dort drängen sich auf einer Kiste bald einmal eine Reihe Mitreisende. Eine Mutter stopft ihr Kleinkind mit Chips, damit es ruhig bleibt. Es dauert bis der Busfahrer an fast jeder Ecke der Ausfallstrasse genügend Passagiere aufgelesen hat, damit die Fahrt sich für ihn lohnt. Nach zwei Stunden kotzt das kleine Mädchen. Der Hauptteil geht in den Schoss der Mutter, aber Mellis Hose und Rucksack bekommen auch einen Teil ab. Sie nimmt es mit Gleichmut wie die anderen Umsitzenden. In der Mittagspause ist alles getrocknet und abgeklopft. Die Mutter wechselt der Kleinen das Kleid.
Statt wieder auf die alte Strecke einzubiegen, hält der Bus an einer Art Werkhof. Irgendetwas mit der Lenkung stimmt offenbar nicht. Fahrer, Beifahrer und etliche Mitreisende versammeln sich am rechten Vorderrad, um den Schaden zu diskutieren. Ein schmaler, sehniger Mann kommt schliesslich mit einem grossen Hammer. Mit kräftigen Schlägen löst er das Problem. Denn bald danach geht es weiter.
Waren wir bislang auf einer der für Nepal üblichen schlaglochübersäten Teerstrassen unterwegs, geht es nun auf einer Piste weiter. Immer wieder passieren wir schlammige Abschnitte, die unser Fahrer nur mit heftig schlingernden Lenkbewegungen bewältigen kann. Aber er fährt vorsichtig, reizt den Platz rechts zum Abhang nicht bis zum letzten Zentimeter aus. An mancher Steigung muss der Beifahrer raus und Kies streuen, den der Busfahrer in weiser Voraussicht in ein paar Säcken mitgebracht hat.
In einer Kurve geht dann plötzlich nichts mehr. Mehrere Busse parken bereits rechts am Abgrund. In der Gegenrichtung müht sich gerade ein Bus einen steilen Wegabschnitt empor. Aber die Fahrspur ist bereits zu tief im Schlamm versunken, der Bus setzt auf, die Räder drehen durch. Mühsam gelingt es dem Fahrer, im Rückwärtsgang wieder sicheren Grund zu erreichen. Dann müssen alle Passagiere aussteigen, auch die vom Dach müssen herunter, und schieben helfen. Der Fahrer gibt Vollgas, dass der Dieselruss hinten nur so heraus wolkt. Wir geniessen dabei den Blick auf die tiefgrünen, erntereifen Reisfelder, die in schmalen Terrassen die Hänge entlang angelegt sind.
Endlich ist die Strecke frei und auch unser Fahrer beginnt, den Bus den Abhang heruntertreiben zu lassen. Bedrohlich schwankt das Gefährt zur Seite, vom Dach ertönten spitze Schreie. Doch der Bus kippt nicht. Hinter uns kotzt ein kleiner Junge aus dem Fenster.
Elf Stunden dauert die Fahrt, normalerweise ist man in gut der Hälfte der Zeit in Arughat, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung rund um den Manaslu.

Text und Foto: © Heiner Hiltermann