Heiner Hiltermann, Journalist und Autor

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer mit offenen Augen durch Kathmandu läuft, kommt immer wieder an Plätze, an denen Unmengen Wäsche an langen Leinen im Wind flattert. Hier sind die Dhobis daheim, die traditionellen Wäscher. Diese Trockenplätze liegen naturgemäss in der Nähe des Bagmati-Flusses. Früher haben die Dhobis dort mit grossen Stücken Kernseife auf den Steinen am Ufer die Wäsche geschrubbt. Das hat empfindlicher Wäsche damals schon nicht gut getan. Heute ist das Wasser des Bagmati so verschmutzt, dass kein Hotel – die Hauptauftraggeber der Wäscher – eine Wäsche dort akzeptierte. Sie bekämen ihre Bettlaken und Handtücher mit einer gehörigen Giftfracht zurück. Die Dhobis haben sich also andere Wasserstellen suchen müssen. Aber einigermassen sauberes Wasser ist in Kathmandu ein Problem, das Wasser in unserem Hotel ist nicht einmal gechlort geniessbar.
Der Berufsstand der Wäscher ist aber noch durch einen anderen Umstand gefährdet: Trekker tragen heutzutage empfindliche Hightech-Kleidung, die sorgfältig behandelt werden will. Wer nur einmal zugeschaut hat, mit welcher Energie die Dhobis die Wäsche einseifen, auf die Steine schlagen, sie wringen und noch einmal einseifen, der ahnt, dass man die Hightech-Klamotten nach ein, zwei Wäschen wegschmeissen kann. Das hat sich auch in den Hotels und Kleidershops in der Stadt herumgesprochen. Die haben die Marktlücke erkannt und bieten mittlerweile eine Kleiderwäsche mit Waschmaschinen und Trocknern an, für 50 Rupies (etwa 38 Eurocent) pro Kilo.
Auch wir sind mit einem Rucksack voll empfindlicher Wäsche von unserem Trek zurück gekommen und haben schnell in der Nachbarschaft unseres Hotels einen Kleidershop gefunden, der Maschinenwäsche anbietet: morgens abgegeben, abends zurück. Doch welch eine Überraschung beim Auspacken im Hotel: Die Wäsche ist sauber und sorgfältig zusammengelegt, aber eine Jacke fehlt und eine Mütze. Die beiden Ladenbetreiber reagieren peinlich berührt und wollen alles in Bewegung setzen, um die Teile wieder herbei zu schaffen. Zwei Stunden später ist die Jacke da, sie war versehentlich in einem anderen Hotel gelandet. Die Mütze aber bleibt verschollen.
Ob uns das bei den Dhobis auch passiert wäre? Wir werden es nicht erfahren, die paar verschwitzten Kleidungsstücke hier in Kathmandu waschen wir selber von Hand. Die Plätze aber, auf denen Wäsche an langen Leinen trocknet, wird man in Kathmandu nicht mehr lange finden. Die Dhobis betreiben einen aussterbenden Beruf.

Text und Foto: © Heiner Hiltermann