Heiner Hiltermann, Journalist und Autor

Noch eine kleine Geschichte zum Thema soziale Gerechtigkeit:
Wir sitzen in Manang in einem kleinen Teashop, geniessen hinter Glas die Aussicht und die Sonnenwärme. Plötzlich kommt eine Horde Jugendlicher herein, drängt sich an die zwei noch freien Tische. "Ach", sagt Melli, "die Dorfjugend trifft sich in diesem kleinen, gar nicht touristischen Lokal". Weit gefehlt, stellt Huku, unser Guide, klar: Das sind die Träger eines Zelttreks über den Thilicho-Pass. Diese 13-,14-jährigen Mädchen und Jungen sollen das Gepäck schleppen für einen Zelltrekk über 5000 Meter hohe Pässe? Wir schauen ungläubig.
Huku kommt mit drei Mädchen ins Gespräch, Boini, junge Schwester, nennt er sie. So ist das in Nepal üblich. Und tatsächlich, die Mädchen bestätigen, dass sie täglich mit 30 bis 45 Kilo schweren Lasten über schwierige Bergwege und verschneite Pässe gehen. Agenturen die auf sich halten, muten ihren Trägern höchstens 25 bis 30 Kilo zu. Was immer noch viel zu viel ist. Welche Agentur den Zelttrek organisiert, will Huku nicht verraten, er hat Angst vor schlechter Presse: Melli und ich kommen gleich mit den Menschenrechten.
Die Mädchen scheinen sich aber wohl zu fühlen, immerhin tragen sie mit ihrem Job zum Familieneinkommen bei. Und 16 Jahre alt seien sie schon, meint Huku, und alle, Jungen und Mädchen, gehörten zu einer Familie, man passe aufeinander auf. Fröhlich zerteilen die Jugendlichen ein paar Samosas, eine Nascherei, die sie sich von ihrem Trägerlohn leisten. Daheim könnten sie das vermutlich nicht. Augenscheinlich geniessen sie ein bisschen Freiheit.

Text und Foto: © Heiner Hiltermann